Kanadas Rentenmodell: Eine mögliche Inspiration für Deutschland?

LONDON (IT BOLTWISE) – Während die Ukraine das kanadische Rentenmodell als Vorbild für ihr eigenes System in Betracht zieht, bleibt Deutschland in der Diskussion über die Zukunft seiner Altersvorsorge gefangen. Die Frage, ob das kanadische Modell auch in Deutschland umsetzbar wäre, ist komplex und vielschichtig.

Das kanadische Rentensystem, das derzeit als Vorbild für die Ukraine dient, basiert auf einem Drei-Säulen-Modell, das eine steuerfinanzierte Grundrente, einen staatlich verwalteten Vorsorgefonds und individuelle Zusatzvorsorge umfasst. Diese Struktur zielt darauf ab, eine finanzielle Grundsicherung im Alter für alle Bürger zu gewährleisten, unabhängig von ihrem Einkommen oder Erwerbsverlauf. In Deutschland hingegen ist das Rentensystem fragmentiert und umfasst gesetzliche Renten, Beamtenpensionen, private Vorsorge und Betriebsrenten.

Ein zentraler Aspekt des kanadischen Modells ist die steuerfinanzierte Grundrente, die allen Bürgern ein Basisniveau an Sicherheit bietet. Diese Idee ähnelt einem bedingungslosen Grundeinkommen und wird durch einen beitragsfinanzierten Kapitalstock ergänzt, der am Kapitalmarkt investiert wird. In Deutschland hingegen fließen bereits über 100 Milliarden Euro jährlich als Bundeszuschuss in die gesetzliche Rente, was einen vollständigen Systemwechsel finanziell herausfordernd macht.

Experten warnen jedoch vor einer vorschnellen Übernahme kanadischer Elemente. Ein Systemwechsel würde Jahrzehnte dauern, da bestehende Ansprüche geschützt werden müssen. Dies könnte zu jahrzehntelangen Doppelstrukturen mit hohem Verwaltungsaufwand führen. Zudem müsste die Grundrente aus Steuergeldern finanziert werden, was in einem Land, das sich an seiner Schuldenbremse abarbeitet, problematisch sein könnte.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ein gesichertes Mindesteinkommen möglicherweise Fehlanreize schafft, weniger privat zu sparen oder zu arbeiten. In Kanada wird die Grundrente durch Einkommenszuschüsse für Geringverdiener ergänzt, bleibt jedoch insgesamt deutlich unter dem deutschen Niveau. Private Vorsorge bleibt auch dort Pflicht, um den Lebensstandard im Alter zu sichern.

Der Druck auf das deutsche Rentensystem wächst, da die Zahl der Rentner steigt und das Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern sinkt. Reformen sind unvermeidlich, doch statt eines kompletten Umbaus fordern Ökonomen realistischere Korrekturen, wie die breitere Beitragspflicht und die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen.

Die Politik bleibt jedoch vage, und die Uhr tickt. Vorschläge wie die Einbeziehung von Beamten in die Rentenkasse stoßen auf Widerstand. Gleichzeitig wächst die Sorge vor einer Politisierung der Rente, sollte sie wie in Kanada direkt vom Bundeshaushalt abhängen. Dies könnte das Rentenniveau zur jährlichen Verhandlungsmasse in der Steuerpolitik machen.

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