Droht Europa eine neue Eiszeit durch den Golfstrom-Kollaps?

LONDON (IT BOLTWISE) – Während die globale Erwärmung im Fokus der Klimapolitik steht, könnte Europa eine unerwartete Klimawende bevorstehen. Eine aktuelle Studie niederländischer Forscher warnt vor einer möglichen Abkühlung des Kontinents, sollte der Golfstrom, ein entscheidender Bestandteil der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC), zusammenbrechen.

Die Diskussion um den Klimawandel ist in vollem Gange, doch eine neue Studie aus den Niederlanden wirft ein unerwartetes Licht auf die möglichen Konsequenzen für Europa. Während die globale Erwärmung die Schlagzeilen dominiert, könnte eine dramatische Abkühlung drohen, wenn der Golfstrom, ein wesentlicher Bestandteil der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC), ins Stocken gerät. Diese Strömung transportiert warmes Wasser von der Südhalbkugel nach Norden und sorgt so für das gemäßigte Klima in Europa. Ein Kollaps könnte jedoch zu einer drastischen Abkühlung führen, die das Klima in Europa grundlegend verändern würde.

Die AMOC ist ein komplexes System, das warmes Wasser in den Norden transportiert, wo es abkühlt und absinkt, während kälteres Wasser nachströmt. Diese Zirkulation ist entscheidend für das milde Klima in Europa. Ohne diesen Wärmetransport könnten die Winter in Nord- und Mitteleuropa deutlich kälter werden, vergleichbar mit den Temperaturen auf der gleichen Breite in Kanada oder Sibirien. Die Studie prognostiziert, dass steigende Temperaturen und schmelzende Eismassen diesen Mechanismus empfindlich stören könnten. Das Süßwasser der schmelzenden Gletscher verdünnt die Salinität des Nordatlantiks, verändert die Dichteverhältnisse und bremst so den Kreislauf ab.

Die niederländischen Forscher haben ihre Prognosen mit dem Community Earth System Model weiterentwickelt und Szenarien simuliert, die bisher in vielen Modellen unzureichend abgebildet wurden. Bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad Celsius könnten weite Teile Europas in eine kleine Eiszeit rutschen. Die Nordsee und Teile des Atlantiks könnten überfrieren, und Berlin müsste regelmäßig mit Temperaturen von bis zu minus 30 Grad Celsius im Winter rechnen.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines solchen Temperatursturzes wären enorm. Landwirtschaft, Energieversorgung und Infrastruktur wären massiv betroffen. Der Heizbedarf und die Energiepreise würden explodieren, die Nahrungsmittelproduktion unter Druck geraten, und Transport und Logistik könnten in weiten Teilen des Kontinents überfordert sein. Eine europäische Eiszeit wäre nicht nur eine meteorologische, sondern vor allem eine ökonomische Katastrophe.

Die Autoren der Studie fordern drastische Klimaschutzmaßnahmen, um dieses Worst-Case-Szenario noch abzuwenden. Ihre Botschaft: Der Kippunkt könnte näher sein, als wir glauben. Doch innerhalb der Wissenschaftscommunity gibt es auch mahnende Stimmen. Alejandra Sanchez-Franks, eine renommierte Ozeanografin, warnt vor voreiligen Schlüssen. Zwar sei die Studie methodisch wertvoll, doch bisher gebe es in den Ozeandaten keinen empirischen Hinweis auf einen bereits eingetretenen Kipppunkt.

Die Stabilität der AMOC ist seit Jahren ein Thema in der Klimaforschung. Bereits 2005 warnte der Weltklimarat IPCC vor einem möglichen Abbruch dieser Strömung, hielt ihn aber damals für unwahrscheinlich. In den letzten Jahren mehren sich jedoch Hinweise auf eine beginnende Abschwächung. Messreihen zeigen, dass der Transport kalter und warmer Wassermassen seit den frühen 2000ern messbar nachlässt, wenn auch nicht dramatisch genug, um einen sofortigen Kollaps zu vermuten.

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