FRANKFURT / LONDON (IT BOLTWISE) – Die Commerzbank hat im Rahmen des Wirecard-Skandals eine Klage gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY eingereicht und fordert eine Entschädigung in Höhe von 190 Millionen Euro. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit steht im Raum, da EY über Jahre hinweg die Bilanzen des inzwischen kollabierten Zahlungsdienstleisters testiert haben soll, ohne die erforderliche Sorgfalt walten zu lassen.

Der Wirecard-Skandal zieht weiterhin weite Kreise, und nun steht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY im Zentrum der juristischen Auseinandersetzungen. Die Commerzbank hat vor dem Landgericht Frankfurt eine Klage eingereicht, in der sie EY grobe Fahrlässigkeit vorwirft und eine Entschädigung von 190 Millionen Euro fordert. Diese Summe entspricht dem Betrag, den die Bank als Teil eines Kreditkonsortiums abschreiben musste, nachdem der Zahlungsdienstleister Wirecard im Jahr 2020 zusammenbrach.
Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht die Behauptung, dass EY über Jahre hinweg die Bilanzen von Wirecard testiert habe, ohne die notwendigen Prüfungen durchzuführen. Insbesondere wird kritisiert, dass keine externen Bestätigungen für angeblich auf asiatischen Bankkonten geparkte Milliardenbeträge eingeholt wurden. Erst im Jahr 2020, kurz vor dem Zusammenbruch von Wirecard, sei eine solche Überprüfung erfolgt.
EY weist die Vorwürfe entschieden zurück und argumentiert, dass die Commerzbank selbst nicht primär auf die testierten Bilanzen vertraut habe, um Kredite zu vergeben. Vielmehr hätten interne Fachleute der Bank von einer weiteren Finanzierung abgeraten, doch die Entscheidung sei aus übergeordneten geschäftspolitischen Erwägungen getroffen worden. Diese Verteidigungslinie könnte jedoch ins Wanken geraten, sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass EY tatsächlich grob fahrlässig gehandelt hat.
Die rechtlichen Hürden für eine Dritthaftung von Wirtschaftsprüfern sind hoch, wie Richterin Alexandra Reuss betonte. Dennoch könnte ein Schuldspruch gegen EY Signalwirkung für weitere Klagen haben, insbesondere von Privatanlegern, die bislang wenig Erfolg in ihren Verfahren hatten. Diese verfolgen das Verfahren in Frankfurt mit großem Interesse, da ein Urteil zugunsten der Commerzbank als Präzedenzfall dienen könnte.
Parallel dazu laufen weitere Verfahren, darunter ein Musterverfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht, in dem die Haftung von EY ebenfalls geprüft wird. Die bisherigen Entscheidungen fielen jedoch zugunsten der Wirtschaftsprüfer aus, da die Testate nicht als kapitalmarktrelevante Informationen im Sinne des alten Kapmug-Gesetzes angesehen wurden. Der Bundesgerichtshof prüft derzeit diese Entscheidung.
Für die Commerzbank und andere Klägerkanzleien könnte ein Erfolg in Frankfurt den Weg für weitere Einzelklagen ebnen. Kanzleien wie Schirp und Liebscher haben ihre Strategie bereits angepasst und setzen nun verstärkt auf Einzelklagen vor dem Landgericht München, um langwierige Musterverfahren zu vermeiden.
Die Auswirkungen eines möglichen Schuldspruchs gegen EY könnten weitreichend sein. Eine Neujustierung der Haftung von Wirtschaftsprüfern könnte nicht nur die Branche selbst, sondern auch die Art und Weise, wie Unternehmen und Investoren auf Testate vertrauen, grundlegend verändern.

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