Haselnuss-Krise bedroht Schokoladenindustrie: Preise steigen

LONDON (IT BOLTWISE) – Die weltweite Haselnussproduktion steht vor einer ernsthaften Herausforderung, die sich auf die gesamte Schokoladenindustrie auswirkt. Frost und extreme Wetterbedingungen in der Türkei, dem Hauptproduzenten von Haselnüssen, haben zu einem drastischen Rückgang der Ernte geführt. Dies hat nicht nur die Preise in die Höhe getrieben, sondern auch die Verfügbarkeit von Haselnüssen für große Hersteller wie Ferrero, Zentis und Ritter Sport erheblich beeinträchtigt.

Die Türkei, die für etwa 70 Prozent der weltweiten Haselnussproduktion verantwortlich ist, sieht sich in diesem Jahr mit einem erheblichen Ernteausfall konfrontiert. Spätfröste im April haben die Ernte um ein Drittel reduziert, was bedeutet, dass statt der üblichen 800.000 Tonnen nur etwa 520.000 Tonnen geerntet werden. Diese drastische Reduzierung hat die Preise für türkische Haselnüsse um mehr als 30 Prozent steigen lassen.

Die Auswirkungen dieser Krise sind weitreichend. Hersteller wie Ferrero, der weltweit größte Abnehmer von Haselnüssen, sowie Zentis und Ritter Sport, stehen vor der Herausforderung, ihre Produktionskosten zu bewältigen, während die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher sinkt. Ferrero verarbeitet etwa ein Viertel der türkischen Haselnussernte, wobei der Anteil in Nutella bei nur 13 Prozent liegt. Dies zwingt die Unternehmen, nach alternativen Bezugsquellen zu suchen und möglicherweise die Rezepturen ihrer Produkte anzupassen.

Die Situation wird durch die steigenden Preise für andere Rohstoffe wie Kakao verschärft. Zwischen Anfang 2024 und Mitte 2025 haben sich die Weltmarktpreise für Kakao zeitweise verdreifacht. Diese Entwicklung, die als “Climateflation” bezeichnet wird, betrifft auch andere Agrarrohstoffe wie Olivenöl, Kaffee und Orangensaft. Die Kombination aus steigenden Rohstoffpreisen und einer zurückhaltenden Konsumnachfrage stellt die Hersteller vor eine nahezu unlösbare Aufgabe.

Einige Unternehmen reagieren bereits auf die Krise. Ferrero investiert in eigene Haselnussplantagen in Ländern wie Frankreich, Chile, Italien und den USA, um die Abhängigkeit von der türkischen Produktion zu verringern. Diese Maßnahmen werden jedoch erst in einigen Jahren Früchte tragen. In der Zwischenzeit haben einige Hersteller begonnen, die Rezepturen ihrer Produkte anzupassen. So hat Netto den Haselnussanteil in seiner “Lieblings Nuss-Nougat-Creme” von 20 auf 13 Prozent reduziert.

Die Verbraucherzentrale Hamburg kritisiert diese Entwicklungen scharf, insbesondere die sogenannte “Shrinkflation”, bei der die Verpackungsgrößen schrumpfen, während die Preise steigen. Seit 2022 ist der Preis für Nutella in Deutschland um 27 Prozent gestiegen, während Nusspli um 37 Prozent teurer wurde. Eine Tafel “Voll-Nuss” von Ritter Sport kostet heute im Schnitt 2,29 Euro, was einem Anstieg von 65 Prozent im Vergleich zu vor drei Jahren entspricht.

Die Herausforderungen für die Haselnussbauern in der Türkei sind vielfältig. Neben Frost und Sturzregen, die fruchtbare Erde wegschwemmen, kämpfen sie auch mit Schädlingen und überalterten Sträuchern. Die Rainforest Alliance beschreibt die Lage als “strukturell besorgniserregend”, da moderne Anbaumethoden und staatliche Unterstützung fehlen. Trotz der Investitionen großer Unternehmen in neue Plantagen wird es Jahre dauern, bis diese Maßnahmen Wirkung zeigen.

Am Ende trifft der Preisdruck die Verbraucher. Viele mittelständische Unternehmen sind nicht in der Lage, die Kostensteigerungen vollständig zu kompensieren. Seeberger, ein weiterer großer Abnehmer von Haselnüssen, rechnet mit weiteren Preiserhöhungen, nicht nur bei Haselnüssen, sondern auch bei anderen Produkten wie Aprikosen und Sultaninen. Die Branche steht vor der doppelten Herausforderung, den Klimawandel und die Risiken in den Lieferketten zu bewältigen. Die große Frage bleibt, wie viel Schokolade sich die Verbraucher in Zukunft noch leisten können.

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