MÜNCHEN/SAN FRANCISCO (IT BOLTWISE) – Wenn man von Lügendetektoren spricht, meint man in der Regel einen Polygraphen. Diese Apparatur beruht auf der Idee, über physiologisch eindeutige Signale Rückschlüsse über den geistigen Zustand eines Menschen zu ziehen. Im Falle des Lügners wäre das seine Nervosität, angezeigt durch Blutdruck, Puls, Atmung und den elektrischen Widerstand der Haut. Im Jahr 2003 bezeichnete die National Academy of Sciences die Qualität der meisten Studienergebnisse zu Lügendetektoren als mangelhaft. Vor allem wegen solcher Schwächen suchen Forscher seit Jahrzehnten nach alternativen Methoden, um Lügner effektiv zu entlarven. Eine Zeitlang lagen Gehirnscans im Trend. Heute richtet sich die Aufmerksamkeit auf Systeme, die Lügner vollautomatisch entlarven sollen. Künstliche Intelligenz soll nun helfen.

Ein solches automatisches System ist beispielsweise EyeDetect der US-amerikanischen Firma Converus. Seine Entwickler gehen davon aus, es sei geistig anstrengender, zu lügen als die Wahrheit zu sagen. Diese Anstrengung soll in den Augen des Lügners sichtbar werden und mittels Künstlicher Intelligenz erkannt werden. Wer mit dem System getestet wird, muss Sätze von einem Monitor vorlesen. Darunter sind Aussagen, die mit einer konkreten Tat oder Fehlverhalten zu tun haben. „Eine solche Aussage könnte beispielsweise sein: “Ich habe im letzten Jahr Geld von meiner Firma gestohlen”, erklärt der Geschäftsführer des Unternehmens Converus, Todd Mickelsen. Die Testperson muss die Aussagen über eine Computertastatur als wahr oder falsch kennzeichnen. Infrarotkameras zeichnen die Bewegungsmuster der Augen und die Größe der Pupillen auf. Ein Algorithmus berechnet daraus einen „Glaubwürdigkeitswert“ zwischen 0 und 100. Alles über dem Wert 50 gilt als glaubwürdig. Darunter kann man eine Aussage als Lüge verbuchen.

Die Trefferquote soll zwischen 85 und 90 Prozent liegen. Das bedeutet, das System stuft mindestens zehn von 100 ehrlichen Menschen bei manchen Aussagen als Lügner ein, was für den Einzelnen natürlich unangenehme Folgen haben könnte, denn Unternehmen nutzen das System unter anderem, um Jobkandidaten zu überprüfen. Zu den Kunden zählten außerdem Gefängnisse, Ermittler, Staatsanwälte und staatliche Behörden. Über 500 solcher Anwender gebe es in 42 Ländern. Einige davon befinden sich in Europa. Das System braucht aber immer noch spezielle Hardware. Eine einfachere Lösung wurde kürzlich im Rahmen des von der EU-Kommission mit 4,5 Millionen Euro geförderten Projekts iBorderCtrl erforscht.

Ray Bull von der University of Leicester hat grundlegende Zweifel an derartigen Systemen. Der emeritierte Professor für Psychologie hat über Jahrzehnte Verhörmethoden erforscht. „Das Problem ist, dass Menschen sich untereinander stark in ihrem Verhalten unterscheiden“, erklärt er. Diese Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen bei der Detektion von Lügen zu berücksichtigen sei kaum möglich. Für O’Shea sind diese Unterschiede hingegen nur Rauschen. „Das System zum maschinellen Lernen ist in der Lage, dieses Rauschen zu ignorieren und nach den relevanten Signalen zu suchen, die in den Daten stecken.“ Damit so etwas plausibel ist, braucht es aber große Datenmengen, mit denen das System lernt. In den bisher veröffentlichten Studien finden man keine Hinweise darauf.


Künstliche Intelligenz soll Schwächen von Lügendetektoren ausgleichen (Foto: Pixabay)
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