Deutschlands Industriepolitik im Spannungsfeld: Der Kampf um SKW Piesteritz

LONDON (IT BOLTWISE) – Deutschlands größter Gasverbraucher, SKW Piesteritz, steht im Zentrum eines komplexen Konflikts zwischen Industriepolitik, Energiepreisen und politischem Gestaltungswillen. Während Geschäftsführer Carsten Franzke gegen die Insolvenz kämpft, wird die Bedeutung des Unternehmens für die deutsche Wirtschaft immer deutlicher.

Die Bedeutung von SKW Piesteritz für die deutsche Wirtschaft kann kaum überschätzt werden. Als größter Gasverbraucher des Landes ist das Unternehmen ein zentraler Akteur in der Ammoniak- und Harnstoffproduktion, die für die Landwirtschaft und Logistik unverzichtbar ist. Ohne die Produkte von SKW würde nicht nur die Landwirtschaft ins Stocken geraten, sondern auch die Logistikbranche, die auf AdBlue für Lkw angewiesen ist. Trotz dieser systemrelevanten Rolle reagiert die Politik nur zögerlich auf die Herausforderungen, denen sich das Unternehmen gegenübersieht.

Der drastische Anstieg der Gaspreise seit 2021 hat SKW Piesteritz in eine finanzielle Schieflage gebracht. Früher bezog das Unternehmen sein Gas aus Russland, heute kommt es per LNG aus Katar oder Texas. Diese Umstellung hat die Kosten vervielfacht und das Unternehmen kämpft seitdem ums Überleben. Hinzu kommt die Gasspeicherumlage, die SKW jährlich 40 Millionen Euro kostet und fünf Prozent des Jahresumsatzes ausmacht. Diese staatlich verordnete Belastung erschwert Investitionen in grüne Prozesse erheblich.

Carsten Franzke, der Geschäftsführer von SKW, ist ein Mann, der nicht aufgibt. Einst Schlosser im Kombinat, führt er das Unternehmen heute mit der Entschlossenheit eines Aktivisten. Er reist zwischen Landtag, Bundestag und EU-Kommission, um Unterstützung zu gewinnen. Seine Hartnäckigkeit hat dazu geführt, dass die Gasspeicherumlage ab 2026 abgeschafft wird. Doch für SKW könnte dies zu spät sein. Franzke warnt eindringlich: „Wir brauchen diese Entlastung jetzt – oder hier gehen die Lichter aus.“

Der Fall SKW wirft grundlegende Fragen zur Zukunft der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland auf. Will das Land diese Industrien halten oder aus Kostengründen und ideologischen Überlegungen darauf verzichten? Andere Industrien stehen bereits vor ähnlichen Herausforderungen: Ineos verlässt Gladbeck, Dow denkt in Böhlen über einen Rückzug nach. Was bleibt, wenn selbst systemrelevante Branchen in Deutschland keinen Platz mehr finden?

Franzke kämpft nicht nur wirtschaftlich, sondern auch um das Verständnis für die Bedeutung moderner Chemie. Mit dem firmeneigenen Museum „Futurea“ in Wittenberg will er zeigen, was moderne Chemie leistet und warum sie eine Zukunft verdient. Lehrer, Schüler und Minister haben das Museum bereits besucht, nur der Kanzler fehlt noch. Franzke bleibt optimistisch und sieht sich selbst als „Chief Optimistic Officer“.

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