LONDON (IT BOLTWISE) – Eine neue Studie beleuchtet, wie Menschen mit psychopathischen Persönlichkeitsmerkmalen auf Ungerechtigkeit reagieren. Diese Personen erkennen zwar unfaire Handlungen, sind jedoch weniger geneigt, diese zu bestrafen, insbesondere wenn dies mit persönlichen Kosten verbunden ist.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass Individuen mit höheren psychopathischen Persönlichkeitsmerkmalen weniger bereit sind, andere für unfaire oder normverletzende Verhaltensweisen zu bestrafen, insbesondere wenn dies mit persönlichen Kosten verbunden ist. Diese Erkenntnisse, veröffentlicht im Journal of Research in Personality, deuten darauf hin, dass der Mangel an sozialer Bestrafung bei diesen Personen eher durch Eigeninteresse als durch ein Versagen, Ungerechtigkeit zu erkennen, motiviert ist.
Psychopathische Merkmale umfassen Eigenschaften wie Empathiemangel, Gefühllosigkeit, Manipulativität, Impulsivität und Missachtung von Regeln oder Rechten anderer. Diese Merkmale existieren auf einem Spektrum in der allgemeinen Bevölkerung und sind nicht ausschließlich mit kriminellem Verhalten verbunden. Menschen mit hohen psychopathischen Merkmalen brechen möglicherweise keine Gesetze, zeigen jedoch oft weniger Interesse an sozialen Normen und dem Wohlergehen anderer. Die Studie untersuchte, wie diese Merkmale die Bereitschaft einer Person beeinflussen, Normverletzungen zu bestrafen, sowohl als direktes Opfer als auch als unbeteiligter Beobachter.
Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Menschen oft bereit sind, diejenigen zu bestrafen, die soziale Normen verletzen, selbst wenn sie nicht persönlich betroffen sind und selbst wenn dies mit Kosten verbunden ist. Dieses Verhalten, bekannt als soziale Bestrafung, trägt zur Aufrechterhaltung der Kooperation in der Gesellschaft bei. Die Verbindung zwischen psychopathischen Merkmalen und diesem Bestrafungsverhalten war jedoch unklar, wobei einige Studien fanden, dass Menschen mit höheren psychopathischen Merkmalen punitiver sind, während andere das Gegenteil zeigten.
Um diese Beziehung besser zu verstehen, führten Zhuo Yang und Kollegen zwei komplementäre Studien durch. Die erste war eine groß angelegte Online-Umfrage mit hypothetischen Szenarien, die zweite ein Laborexperiment mit realen wirtschaftlichen Spielen, bei denen die Teilnehmer entscheiden mussten, ob sie Normverletzer mit ihrem eigenen Geld bestrafen wollten.
In der ersten Studie nahmen über 13.800 Erwachsene in China an einer Umfrage teil, die Teil eines Projekts zur Messung von Rechtskenntnissen und moralischen Einstellungen war. Die Teilnehmer lasen kurze Beschreibungen unfairer oder unethischer Szenarien und bewerteten, wie wahrscheinlich es war, dass sie Maßnahmen ergreifen würden, um den Täter zu bestrafen, entweder als direkt Betroffener oder als unbeteiligter Beobachter.
Die Ergebnisse zeigten ein klares Muster: Personen mit höheren psychopathischen Merkmalen gaben durchweg seltener an, dass sie den Täter bestrafen würden, unabhängig davon, ob sie das Opfer oder ein Beobachter waren. Dies galt sowohl, wenn eine potenzielle Kostenbelastung durch die Bestrafung bestand, als auch wenn nicht. Der Effekt war stärker, wenn die Teilnehmer Beobachter waren, was darauf hindeutet, dass Personen mit hohen psychopathischen Merkmalen besonders unwillig sind, im Namen anderer einzugreifen.
In der zweiten Studie testeten die Forscher, ob diese Muster in einer kontrollierteren Umgebung mit realen Einsätzen bestehen würden. Dreiundneunzig Universitätsstudenten nahmen an wirtschaftlichen Spielen teil, bei denen sie Geld ausgeben konnten, um einen Spieler zu bestrafen, der sich in einer Ressourcenteilungsaufgabe unfair verhalten hatte. In einigen Runden war die Bestrafung des Täters mit Kosten für den Teilnehmer verbunden, in anderen nicht.
Die Forscher fanden heraus, dass psychopathische Merkmale das Bestrafungsverhalten nur vorhersagten, wenn die Bestrafung kostspielig war. In diesen Situationen waren Teilnehmer mit höheren psychopathischen Merkmalen weniger geneigt, den Täter zu bestrafen, und wenn sie es taten, verhängten sie geringere Strafen. Wenn die Bestrafung jedoch kostenlos war, bestraften Menschen mit hohen psychopathischen Merkmalen genauso oft und genauso hart wie andere.
Dieses Muster legt nahe, dass Personen mit hohen psychopathischen Merkmalen nicht unfähig sind, Ungerechtigkeit zu erkennen oder Normen durchzusetzen, sondern viel weniger bereit sind, dies zu tun, wenn es mit einem persönlichen Opfer verbunden ist. Ihre geringeren Bestrafungsraten scheinen eher egoistischen Motiven als einem Mangel an moralischem Verständnis zu entspringen.
Die Forscher maßen auch die Sensibilität der Teilnehmer für Gerechtigkeit, einschließlich wie sehr sie selbst fair behandelt werden wollten (selbstorientierte Gerechtigkeitssensibilität) und wie sehr sie sich um Fairness für andere kümmerten (fremdorientierte Sensibilität). Die Analyse zeigte, dass Menschen mit höheren psychopathischen Merkmalen sensibler für Ungerechtigkeit waren, die sich gegen sie selbst richtete, aber dies machte sie nicht eher bereit, Normverletzer zu bestrafen. Tatsächlich half die selbstorientierte Gerechtigkeitssensibilität zu erklären, warum sie weniger bereit waren zu bestrafen, wenn dies mit persönlichen Kosten verbunden war. Es scheint, dass ihr Interesse an Fairness selbstbezogen ist und sich nicht auf eine breitere moralische Durchsetzung erstreckt.
Wichtig ist, dass die Forscher nicht fanden, dass Personen mit höheren psychopathischen Merkmalen schwächere Überzeugungen in Bezug auf Fairness hatten oder weniger in der Lage waren, Ungerechtigkeit zu erkennen. Dies unterstützt die Idee, dass diese Personen moralische Regeln verstehen können, aber weniger motiviert sind, sie zu befolgen, wenn es ihnen nicht direkt zugutekommt.
Diese Erkenntnisse bieten neue Einblicke, wie psychopathische Merkmale das Verhalten bei alltäglichen moralischen Entscheidungen beeinflussen. Während diese Merkmale mit geringerer Kooperation und weniger Interesse an anderen verbunden sind, scheinen sie das grundlegende moralische Verständnis nicht zu beeinträchtigen. Stattdessen scheinen sie das Motivationsgleichgewicht von prosozialen Handlungen hin zur Selbstbewahrung zu verschieben.
Wie bei allen Forschungen hat die Studie einige Einschränkungen. Das Laborexperiment umfasste eine relativ kleine und überwiegend weibliche Universitätsstichprobe, die möglicherweise nicht repräsentativ für die breitere Bevölkerung ist. Im Gegensatz dazu hatte die Online-Umfrage eine große und vielfältige Stichprobe, beruhte jedoch auf hypothetischen Szenarien, die möglicherweise nicht das reale Verhalten widerspiegeln. Der Unterschied in den Methoden könnte einige Inkonsistenzen zwischen den beiden Studien erklären, zum Beispiel die Feststellung, dass psychopathische Merkmale die Bestrafung sowohl unter Kosten- als auch unter Kostenbedingungen in der Umfrage vorhersagten, aber nur unter Kostenbedingungen im Labor.
Zukünftige Forschungen könnten auf diesen Erkenntnissen aufbauen, indem sie ausgewogenere Stichproben einbeziehen, reale Szenarien verwenden und neurowissenschaftliche Methoden einbeziehen, um die zugrunde liegenden Gehirnmechanismen besser zu verstehen. Es könnte auch wertvoll sein zu untersuchen, wie sich diese Dynamiken in Gruppen mit höheren Psychopathie-Niveaus, wie beispielsweise inhaftierten Personen, auswirken.
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