LONDON (IT BOLTWISE) – Eine neue Studie stellt die gängige Annahme in Frage, dass erhöhte Sensibilität das Risiko für Halluzinationen oder andere psychosebezogene Symptome erhöht. Die Forschungsergebnisse, veröffentlicht in Psychological Reports, zeigen, dass Merkmale, die mit einer hohen Sensibilität verbunden sind, nicht zwangsläufig zu mehr anomalen Wahrnehmungserfahrungen führen.
In der heutigen schnelllebigen Welt berichten viele Menschen von Erfahrungen, die aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fallen – wie das Hören von Stimmen oder das Spüren unsichtbarer Präsenz. Solche ‘anomalous perceived phenomena’ werden oft mit psychotischen Störungen in Verbindung gebracht, können jedoch auch bei Menschen auftreten, die nicht klinisch krank sind. Gleichzeitig wurde angenommen, dass Menschen mit Eigenschaften eines Hochsensiblen Menschen (HSP) anfälliger für psychische Belastungen oder Erkrankungen sind, einschließlich Psychosen. Doch die Verbindung zwischen hoher Sensibilität und diesen ungewöhnlichen Wahrnehmungserfahrungen blieb unklar.
Um dies zu klären, entwickelten die Forscher um Álex Escolà-Gascón ein neues Modell, das bestehende Theorien zu Temperament, Sensibilität und Psychose kombiniert. Ihr Ziel war es, zu verstehen, wie diese Eigenschaften interagieren und zu testen, ob hohe Sensibilität das Risiko für anomale Wahrnehmungen erhöht oder verringert. Dieses neue Rahmenwerk nannten sie die Integrierte Temperament-Sensibilitäts-Theorie der Anomalen Erfahrung (ITSTAE).
Die Forscher sammelten Umfragedaten von 1.215 spanischsprachigen Erwachsenen im Alter von 21 bis 55 Jahren. Die Teilnehmer lebten in Madrid, Barcelona oder Valencia und füllten eine Reihe von psychologischen Fragebögen online aus. Diese umfassten ein Temperament-Inventar zur Bewertung von Eigenschaften wie emotionaler Reaktivität, Ausdauer, sensorischer Sensibilität und Aktivitätsniveau sowie eine validierte Skala zur Messung von HSP-Eigenschaften, einschließlich der Leichtigkeit der Überstimulation und der Sensibilität für Ästhetik oder subtile Reize.
Die Teilnehmer füllten auch ein Maß für psychoseähnliche Eigenschaften aus, bekannt als das Psychose-Kontinuum-Modell, das positive Symptome wie Halluzinationen, negative Symptome wie emotionale Flachheit und depressive Symptome sowie eine Bewertung anomaler Wahrnehmungsphänomene umfasst, die visuelle, auditive, taktile, olfaktorische und körperliche Empfindungen abdecken, die nicht an reale äußere Reize gebunden sind.
Wie erwartet fanden die Forscher heraus, dass psychoseanfällige Eigenschaften stark mit höheren Niveaus anomaler Wahrnehmungserfahrungen assoziiert waren. Dies unterstützt die Idee, dass einige Individuen eher als andere zu halluzinationsähnlichen Wahrnehmungen neigen, selbst in nicht-klinischen Populationen.
Interessanterweise erhöhten HSP-Eigenschaften nicht das Risiko dieser Erfahrungen. Tatsächlich berichteten Individuen mit höheren Sensibilitätsniveaus von weniger anomalen Erfahrungen, wenn psychoseanfällige Eigenschaften berücksichtigt wurden. Die Beziehung kehrte sich um: Sensibilität wurde zu einem Unterdrücker, nicht zu einem Risikofaktor. Diese kontraintuitive Erkenntnis legt nahe, dass während psychoseähnliche Eigenschaften die Anfälligkeit für veränderte Wahrnehmungen erhöhen können, hohe Sensibilität diesen Effekt zu dämpfen scheint.
Diese Erkenntnisse bieten eine neue Perspektive auf Sensibilität und psychische Gesundheit. Anstatt Hochsensible Menschen als zerbrechlich oder einem höheren Risiko für Halluzinationen und Wahnvorstellungen ausgesetzt zu sehen, schlagen die Forscher vor, dass Sensibilität tatsächlich als kognitiver Schutzschild fungieren könnte – Menschen helfen, ungewöhnliche Wahrnehmungen zu filtern oder zu regulieren.
Die Autoren argumentieren, dass das ITSTAE-Modell Kliniker dabei unterstützen könnte, zwischen harmlosen Wahrnehmungsbesonderheiten und Symptomen, die ein echtes klinisches Risiko darstellen, besser zu unterscheiden. Zum Beispiel könnte jemand mit HSP-Eigenschaften, der gelegentlich lebhafte Wahrnehmungen erlebt, nicht gefährdet sein, eine psychotische Störung zu entwickeln – insbesondere wenn seine Sensibilität ihm hilft, diese Erfahrungen zu regulieren.

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