BONN / LONDON (IT BOLTWISE) – Neurowissenschaftler in Deutschland haben herausgefunden, dass einzelne Neuronen im menschlichen Gehirn ihre Aktivität mit langsamen Gehirnwellen synchronisieren, insbesondere während der Gedächtnisbildung und -abruf. Diese Entdeckung könnte helfen, das Verständnis von Gedächtnisprozessen zu vertiefen und neue Ansätze zur Behandlung von Gedächtnisstörungen zu entwickeln.

In einer bahnbrechenden Studie haben Forscher in Deutschland herausgefunden, dass einzelne Neuronen im menschlichen medialen Temporallappen ihre Aktivität mit langsamen Gehirnwellen synchronisieren. Diese Synchronisation, bekannt als Theta-Phasen-Locking, spielt eine entscheidende Rolle bei der Organisation von Erinnerungen auf zellulärer Ebene. Die Ergebnisse, die in Nature Communications veröffentlicht wurden, bieten neue Einblicke in die inneren Rhythmen des Gehirns, die kognitive Prozesse strukturieren.
Die Studie, die von Neurowissenschaftlern der Universitätskliniken Bonn und Freiburg durchgeführt wurde, untersuchte, wie die Aktivität einzelner Neuronen mit lokalen elektrischen Rhythmen während Gedächtnisaufgaben übereinstimmt. Im Fokus standen Theta-Wellen, langsame Oszillationen, die typischerweise zwischen 1 und 10 Hz auftreten und seit langem mit Gedächtnisprozessen in der Tierforschung in Verbindung gebracht werden. Während Studien an Nagetieren gezeigt haben, dass hippocampale Neuronen oft zu bestimmten Phasen des Theta-Rhythmus feuern, war unklar, ob ähnliche Dynamiken auch im menschlichen Gehirn während der Echtzeit-Gedächtnisnutzung bestehen.
Die Forscher nutzten eine einzigartige klinische Situation: Patienten mit therapieresistenter Epilepsie, die sich einer Operation zur Implantation von Elektroden im Gehirn unterziehen, um die Quelle der Anfälle zu lokalisieren. Mit informierter Zustimmung konnten diese Elektroden auch die Gehirnaktivität auf extrem feiner Ebene aufzeichnen, bis hin zu einzelnen Neuronen. Diese Einrichtung ermöglichte es den Forschern, direkt zu beobachten, wie Nervenzellen sich verhalten, wenn Menschen Erinnerungen bilden und abrufen.
In einem virtuellen Navigationsexperiment namens „Schatzsuche“ nahmen 18 Patienten teil, die aufgefordert wurden, einen computergenerierten Strand zu erkunden und die Standorte versteckter Objekte zu memorieren. Während jeder Versuch navigierten die Teilnehmer zu Truhen mit Objekten, lernten deren Standorte und riefen später entweder das mit einem bestimmten Standort verbundene Objekt oder den mit einem bestimmten Objekt verbundenen Standort ab. Die Forscher zeichneten sowohl die Verhaltensgenauigkeit als auch die neuronale Aktivität während der gesamten Sitzungen auf.
Die Ergebnisse zeigen, dass Neuronen im menschlichen medialen Temporallappen, einschließlich des Hippocampus, des entorhinalen Kortex und der Amygdala, häufig Theta-Phasen-Locking aufweisen. Das bedeutet, dass Neuronen dazu neigen, zu einem bestimmten Punkt im Theta-Zyklus über die Zeit hinweg zu feuern. Etwa 86 % der Neuronen zeigten signifikantes Phasen-Locking über die gesamte Aufgabe hinweg, wobei viele von ihnen nahe dem Tiefpunkt der Theta-Welle ausgerichtet waren.
Interessanterweise variierte die Stärke dieses Phasen-Lockings je nach den Eigenschaften des elektrischen Hintergrunds des Gehirns. Neuronen waren stärker mit Theta-Wellen synchronisiert, wenn die Theta-Leistung hoch war und die Feldpotenziale steile aperiodische Neigungen aufwiesen, Bedingungen, die eine stärkere neuronale Hemmung widerspiegeln. Dies deutet darauf hin, dass Theta-Phasen-Locking kein festes Merkmal ist, sondern durch momentane Veränderungen in der lokalen neuronalen Umgebung moduliert wird.
Obwohl die Gesamtstärke des Phasen-Lockings den Gedächtniserfolg nicht vorhersagte, fand die Studie heraus, dass eine Untergruppe von Neuronen ihre bevorzugte Feuerrate zwischen Kodierung und Abruf verschob. Etwa 9 % der Neuronen zeigten solche Phasenverschiebungen, die bei erfolgreichen Gedächtnisversuchen etwas häufiger auftraten. Diese Beobachtung unterstützt teilweise theoretische Modelle wie das SPEAR-Modell, das vorschlägt, dass Kodierung und Abruf zu unterschiedlichen Punkten im Theta-Zyklus stattfinden, um Interferenzen zu vermeiden.

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