LONDON (IT BOLTWISE) – Eine neue wissenschaftliche Untersuchung hebt die Bedeutung des Tastsinns als möglichen Frühindikator für kognitive Beeinträchtigungen hervor. Diese Erkenntnisse könnten entscheidend sein, um frühzeitig Maßnahmen gegen Demenz zu ergreifen.
Die Bedeutung des Tastsinns als Frühindikator für kognitive Beeinträchtigungen wird in einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung hervorgehoben, die in Biological Psychology veröffentlicht wurde. Die Studie legt nahe, dass altersbedingte Beeinträchtigungen der taktilen Wahrnehmung, wie Druck- und Vibrationssensitivität sowie Objekterkennung, auf kognitive Herausforderungen und sogar auf die Entwicklung von Demenz hinweisen könnten.
Die Forscher untersuchten, wie der altersbedingte sensorische Rückgang, insbesondere im taktilen System, ein Vorbote kognitiver Beeinträchtigungen sein könnte. Da die globale Bevölkerung immer älter wird, nimmt die Häufigkeit leichter kognitiver Beeinträchtigungen zu, die etwa jeden sechsten älteren Erwachsenen betreffen. In vielen Fällen schreitet dieser Zustand zu Demenz fort, weshalb die Identifizierung früher Marker entscheidend ist, um schwerwiegendere Folgen zu verzögern oder zu verhindern.
Die Untersuchung analysierte frühere Studien, die den taktilen Verfall im alternden Gehirn untersuchten. Dabei wurden sowohl menschliche Studien als auch Tiermodelle, insbesondere bei Nagetieren, berücksichtigt, um taktile Eingaben experimentell zu isolieren und zu manipulieren. Die Forscher suchten nach Verbindungen zwischen dem Verlust der taktilen Funktion, Veränderungen im Gehirn und kognitiven Ergebnissen, wobei sie besonderes Augenmerk auf den Hippocampus und seine Verbindungen zur taktilen Eingabe, zum räumlichen Gedächtnis und zur exekutiven Funktion legten.
Die Studie beschreibt den allmählichen Rückgang des taktilen Systems mit zunehmendem Alter. Bereits ab dem 20. Lebensjahr beginnt die Berührungsempfindlichkeit abzunehmen, und bis zum 60. Lebensjahr sind diese Veränderungen klinisch nachweisbar. Mechanorezeptoren in der Haut, insbesondere Meissner- und Pacini-Körperchen, die feine Berührungen und Vibrationen erkennen, beginnen zu verschwinden. Die Nerven, die taktile Informationen übertragen, verlieren einen Teil ihres Isoliermaterials, was die Signalübertragung verlangsamt.
Diese Veränderungen betreffen nicht nur die Haut, sondern auch das Rückenmark und das Gehirn, insbesondere den primären somatosensorischen Kortex, der mit dem Alter dünner wird und eine reduzierte Hemmung zeigt. Dies führt zu einer schlechteren Berührungsdiskriminierung, Schwierigkeiten bei der Manipulation von Objekten, einer reduzierten Feinmotorik und Problemen mit dem Gleichgewicht.
Die Forscher verknüpften diese sensorischen Veränderungen mit kognitivem Abbau, insbesondere im Kontext leichter kognitiver Beeinträchtigungen. Diese werden als ein Rückgang der geistigen Leistungsfähigkeit definiert, der über das normale Altern hinausgeht, aber noch nicht signifikant die täglichen Aktivitäten beeinträchtigt. Sie gelten oft als Vorstufe zur Demenz. Studien zeigen, dass leichte kognitive Beeinträchtigungen mit zunehmendem Alter häufiger auftreten und über ein Viertel der Menschen im Alter von 80 Jahren oder älter betreffen. Wichtig ist, dass über ein Drittel dieser Personen schließlich an Demenz erkrankt.
Der Hippocampus, eine Region, die für Gedächtnis, Lernen und exekutive Funktionen unerlässlich ist, zeigt eine der frühesten Veränderungen bei leichten kognitiven Beeinträchtigungen. Der Hippocampus erhält sensorische Eingaben vom somatosensorischen System über den entorhinalen Kortex. Taktile Eingaben helfen dem Hippocampus, Informationen zu integrieren und kognitive Flexibilität und Entscheidungsfindung zu unterstützen.
Wenn diese Eingaben aufgrund von Alterung oder sensorischer Deprivation vermindert werden, kann die Funktion des Hippocampus leiden. Studien an Nagetieren zeigen beispielsweise, dass die Entfernung der Schnurrhaare, die als primäres taktiles System dienen, die hippocampale Aktivität reduziert, das räumliche Gedächtnis beeinträchtigt und die synaptische Kommunikation in gedächtnisbezogenen Regionen stört.
Die Untersuchung hebt auch die Bedeutung der Propriozeption – des Sinns für Körperposition und Bewegung – und der Stereognosie – der Fähigkeit, Objekte durch Berührung zu erkennen – als Schlüsselkomponenten des taktilen Systems hervor, die vom Altern betroffen sind. Beide sind entscheidend für das tägliche Funktionieren und stehen ebenfalls in Verbindung mit der kognitiven Leistungsfähigkeit. Wenn diese Fähigkeiten abnehmen, können die Betroffenen ein erhöhtes Sturzrisiko, eine reduzierte Unabhängigkeit und weniger Möglichkeiten zur kognitiven Betätigung erleben. Dieser Rückgang der Aktivität und Stimulation kann wiederum den kognitiven Abbau beschleunigen.
Eine der überzeugendsten Erkenntnisse der Untersuchung ist der Zusammenhang zwischen taktilen Beeinträchtigungen und Veränderungen in der Neurochemie des Gehirns. Sensorische Stimulation erhöht die Spiegel von Acetylcholin, einer Chemikalie, die eine wichtige Rolle bei Aufmerksamkeit und Gedächtnis spielt. Sie fördert auch die Freisetzung von brain-derived neurotrophic factor (BDNF) und Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF-2), die beide das Wachstum und Überleben von Neuronen unterstützen. Taktile Deprivation hingegen senkt diese Faktoren, was möglicherweise den Zelltod auslöst und Gedächtnisschaltkreise im Hippocampus schwächt.
Die Autoren schlagen vor, dass diese Beweislage die Idee unterstützt, dass taktile Verschlechterung mehr als nur ein Zeichen des Alterns sein könnte – sie könnte ein früher Marker für kognitives Risiko sein. Wenn dem so ist, könnten auf Berührung basierende Bewertungen ein wertvolles Werkzeug zur Erkennung von Personen werden, die von einer frühen Intervention profitieren könnten. Dies ist besonders wichtig, da viele traditionelle kognitive Screening-Tools frühe Anzeichen übersehen oder nicht für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich sind.
Die Untersuchung schlägt mehrere Richtungen für zukünftige Forschungen vor. Eine Empfehlung ist die Entwicklung standardisierter Methoden zur Messung der taktilen Funktion, einschließlich Propriozeption und Stereognosie, bei älteren Erwachsenen. Diese Bewertungen könnten zu routinemäßigen kognitiven Screenings hinzugefügt werden. Ein weiterer Bereich zur Erforschung ist, ob taktil-basierte Interventionen – wie strukturierte Objekte, Massagetherapie oder sensorisch reiche Umgebungen – helfen können, die kognitive Funktion zu schützen oder sogar wiederherzustellen.
Die Autoren ermutigen auch zu mehr Forschung darüber, wie verschiedene sensorische Systeme interagieren und zur allgemeinen kognitiven Gesundheit beitragen, einschließlich Studien, die Berührung, Klang und visuelle Stimulation kombinieren, um die Plastizität des Gehirns zu fördern.
- Die besten Bücher rund um KI & Robotik!
- Die besten KI-News kostenlos per eMail erhalten!
- Zur Startseite von IT BOLTWISE® für aktuelle KI-News!
- IT BOLTWISE® kostenlos auf Patreon unterstützen!
- Aktuelle KI-Jobs auf StepStone finden und bewerben!
Stellenangebote

Praktikum / Werkstudent (w/m/d) im Bereich Künstliche Intelligenz & Prozessautomatisierung in der Personalberatung

Praktikant (m/w/d) im Bereich Innovations -Weiterentwicklung KI gestütztes Innovationsmanagementtool

Senior Consultant AI Governance, Compliance & Risk (m/w/d)

Duales Studium Data Science und Künstliche Intelligenz (m/w/d) ab September 2025

- Die Zukunft von Mensch und MaschineIm neuen Buch des renommierten Zukunftsforschers und Technologie-Visionärs Ray Kurzweil wird eine faszinierende Vision der kommenden Jahre und Jahrzehnte entworfen – eine Welt, die von KI durchdrungen sein wird
- Künstliche Intelligenz: Expertenwissen gegen Hysterie Der renommierte Gehirnforscher, Psychiater und Bestseller-Autor Manfred Spitzer ist ein ausgewiesener Experte für neuronale Netze, auf denen KI aufbaut
- Obwohl Künstliche Intelligenz (KI) derzeit in aller Munde ist, setzen bislang nur wenige Unternehmen die Technologie wirklich erfolgreich ein
- Wie funktioniert Künstliche Intelligenz (KI) und gibt es Parallelen zum menschlichen Gehirn? Was sind die Gemeinsamkeiten von natürlicher und künstlicher Intelligenz, und was die Unterschiede? Ist das Gehirn nichts anderes als ein biologischer Computer? Was sind Neuronale Netze und wie kann der Begriff Deep Learning einfach erklärt werden?Seit der kognitiven Revolution Mitte des letzten Jahrhunderts sind KI und Hirnforschung eng miteinander verflochten
Du hast einen wertvollen Beitrag oder Kommentar zum Artikel "Taktile Wahrnehmung als Frühindikator für kognitive Beeinträchtigungen" für unsere Leser?
Es werden alle Kommentare moderiert!
Für eine offene Diskussion behalten wir uns vor, jeden Kommentar zu löschen, der nicht direkt auf das Thema abzielt oder nur den Zweck hat, Leser oder Autoren herabzuwürdigen.
Wir möchten, dass respektvoll miteinander kommuniziert wird, so als ob die Diskussion mit real anwesenden Personen geführt wird. Dies machen wir für den Großteil unserer Leser, der sachlich und konstruktiv über ein Thema sprechen möchte.
Du willst nichts verpassen?
Du möchtest über ähnliche News und Beiträge wie "Taktile Wahrnehmung als Frühindikator für kognitive Beeinträchtigungen" informiert werden? Neben der E-Mail-Benachrichtigung habt ihr auch die Möglichkeit, den Feed dieses Beitrags zu abonnieren. Wer natürlich alles lesen möchte, der sollte den RSS-Hauptfeed oder IT BOLTWISE® bei Google News wie auch bei Bing News abonnieren.
Nutze die Google-Suchmaschine für eine weitere Themenrecherche: »Taktile Wahrnehmung als Frühindikator für kognitive Beeinträchtigungen« bei Google Deutschland suchen, bei Bing oder Google News!